Something is clawing away at the foundations. Swarms of thinkers are busy undermining a worldview in which the human being sits at the center. What Sloterdijk once portrayed polemically as the degressive line of development from God to man and from man to Smurf might be described as a series of narcissistic wounds dealt to the Western subject: Copernicus shattered the illusion that the universe revolved around the earth; Kant pulled the plug on the belief that cognition is more than what is going on in our heads; Freud demonstrated that we are not even masters in those same heads;
Da kratzt etwas am Fundament. Schwärme von Denkern untergraben derzeit ein Weltbild, in dessen Mitte der Menschen sitzt. Was Sloterdijk einmal polemisch als die absteigende Entwicklungslinie vom Gott zum Menschen und vom Menschen zum Schlumpf bezeichnet hat, könnte man als eine Reihe narzisstischer Kränkungen des abendländischen Subjekts beschreiben: Kopernikus zerbrach die Illusion, das Universum kreise um die Erde; Kant machte Schluss mit dem Glauben, Erkenntnis sei mehr als das, was sich in unserem Kopf abspielt; Freud zeigte, dass wir selbst in unserem eigenen Kopf nicht Herr im Haus sind;
and now we are being told that we have vastly overestimated the difference between human being and coffeemaker. For the longest time, the social world was believed to be populated by subjects, and reality was what these subjects comprehended—language being the paradigmatic instrument of comprehension. But this guiding idea of Western thought has started to unravel, and the era of anthropocentrism is crumbling. Does that make us Smurfs? Who knows.
Climate change, financial-market algorithms, artificial intelligence—we now often describe complex issues like these as networks of relations: as interactions between material and immaterial objects and events. Things and signifiers, concepts and systems are said to play a role as social actors, to be no less dynamic in the pursuit of their interests than we ourselves. The traditional relation between subject and object, man and world, is stretched to its limits and put to the test. One of the experts manning the test stand is Heinrich Dunst. The Viennese artist’s exhibition ventures forward into a paradigm shift currently under debate; known as the material turn, it proposes a reevaluation of the part things play in reality as we experience it and as it has meaning to us. Relying on simple means, Dunst experiments with a model of perception that immerses our gaze and our thinking in an experiential situation in which subject-object relations and the linguistic forms operative in them cast off the straitjacket of anthropocentrism.
und nun sagt man uns, dass wir den Unterschied zwischen dem Menschen und einer Kaffeemaschine maßlos überschätzt haben. Lange galt die soziale Welt als eine von Subjekten bewohnte und die Realität als das, was diese Subjekte – vor allem sprachlich – als solche begreifen. Doch nun wankt dieser abendländische Leitgedanke und das anthropozentrische Zeitalter bröckelt. Ob uns das zu Schlümpfen macht ist ungewiss.
Klimawandel, Finanzmarktalgorithmen, künstliche Intelligenz, solch komplexe Angelegenheiten werden heute oft als Beziehungsnetzwerke beschreiben: als Interaktionen von materiellen und immateriellen Objekten und Ereignissen. Dingen und Zeichen, Konzepten und Systemen wird dabei eine Rolle als soziale Akteure zugedacht, die ebenso handeln und ihre Interessen verfolgen wie wir selbst. Das klassische Verhältnis von Subjekt und Objekt, Mensch und Welt kommt dabei an seine Grenzen und gerät auf den Prüfstand. Auf diesem Prüfstand arbeitet auch Heinrich Dunst. Die Ausstellung des Wieners bewegt sich hinein in einen Paradigmenwechsel, der aktuell als Material Turn diskutiert wird und eine Neubewertung der Rolle der Dinge in der menschlichen Erfahrungs- und Bedeutungsrealität vollzieht. Dunst experimentiert mit einfachen Mitteln an einem Wahrnehmungsmodell, das unseren Blick und unser Denken in eine Erfahrungslage bringt, in der sich Subjekt-Objekt-Verhältnisse und darin wirkende Sprachformen aus der anthropozentrischen Verhaftung lösen.
Formal and conceptual correspondences perpetually cross each other, introducing the contemplation into an open linguistic-formal system that is subject to different criteria at different times.
Stattdessen durchkreuzen sich formale und konzeptionelle Korrespondenzen fortwährend und führen die Betrachtung ein in ein offenes Sprachformsystem, das zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlichen Kriterien folgt.
The eleven objects Heinrich Dunst has brought to Berlin for his second exhibition at KOW generate a semantic field that dispels the commanding authority of our own seeing and understanding. Taken by itself, each of the installation’s components would seem to be semantically underdetermined and hardly merit the term “work,” but the interrelations between them are so multifaceted that their function and purport in the overall context proliferate interminably. No reading can exhaust the ensemble; its semantic complexity makes a conclusive interpretation of what the beholder sees virtually impossible. Formal and conceptual correspondences perpetually cross each other, introducing the contemplation into an open linguistic-formal system that is subject to different criteria at different times. As a consequence, the work seems to range entirely in the present, in forever new language games.
But more than anything else, what makes Dunst’s experimental arrangement interesting is this: while the linguistic capacities of the objects and their interactions are amenable to scrutiny, the beholder’s cognitive faculties start to falter. Correspondences between what he or she perceives and its verbal representation are never more than temporary and speculative; they are overwritten at the next moment. An intranslatability emerges between things and language, an indefinable non-representational relation. Yet in Dunst’s staging, such incongruence is not a failure but the performative dimension of subject-object displacements. Their significance remains porous, evanescent, and pertinent to the now; any totality, including the totality of a subject-centric conception of reality, is revealed to be inadequate to the matter at hand.
Text: Alexander Koch / Translation: Gerrit Jackson / Photos: Ladislav Zajac
Die elf Objekte, die Heinrich Dunst für seine zweite Ausstellung bei KOW mitgebracht hat, erzeugen ein semantisches Feld, in dem sich die Souveränität des eigenen Schauens und Erkennens verlieren. Während die einzelnen Bestandteile der Installation für sich genommen in ihrer Bedeutung unterdeterminiert erscheinen und kaum als Werke auffassen lassen, stehen sie zugleich in so vielfältigen Relationen zueinander, dass sich ihre Funktion und ihr Sinn im Gesamtzusammenhang vervielfältigen. Die Lektüre des Ensembles ist unabschließbar, seine semantische Komplexität lässt eine Ausdeutung des Gesehenen kaum zu. Stattdessen durchkreuzen sich formale und konzeptionelle Korrespondenzen fortwährend und führen die Betrachtung ein in ein offenes Sprachformsystem, das zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlichen Kriterien folgt. In Konsequenz scheint sich die Arbeit ganz im Jetzt zu bewegen, in Sprachspielen, die sich laufend erneuern.
Was aber Dunsts Modellanordnung vor allem interessant macht, ist dies: Während sich sehr wohl die Sprachfähigkeit der Objekte und ihrer Interaktionen studieren lässt, geraten die Worte der BetrachterInnen hingegen ins Schlingern. Korrespondenzen zwischen dem Wahrgenommen und dessen sprachlicher Darstellung bleiben stets nur temporär und insofern spekulativ, als sie bereits im nächsten Moment überschrieben werden. Zwischen den Dingen und der Sprache erscheint eine Unübersetzbarkeit, ein nicht fixierbares, nicht-repräsentationales Verhältnis, das Dunst nicht als Scheitern inszeniert, sondern als die performative Dimension von Subjekt-Objekt-Verschiebungen. Deren Sinn bleibt porös, flüchtig und aktuell, jede Totalität, auch die eines subjektzentrierten Realitätsbegriffs, erweist sich als in der Sache unangemessen.
Text: Alexander Koch / Fotos: Ladislav Zajac
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